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Sonntag, 16. Januar 2011

Tunesien - weites fernes Land

Ein traumhafter Sommer, Cluburlaub auf höchstem Niveau, das Personal - auch das einheimische - tipptopp, die Umgebung paradiesisch. So kennt der westliche Urlauber seit langer Zeit Tunesien.


Die meiste Zeit wird im Club verbracht, dessen Angebot so überreichlich ist, dass man das Land vergessen könnte, in welchem man sich befindet. Jedoch startet jeder bildungs-und kulturbeflissene Europäer oder Amerikaner wenigstens einmal in 14 Tagen eine Erkundungstour in die Welt da draußen, besucht vielleicht eins der (relativ spärlich bestückten) Museen, schlendert auf jeden Fall über einen der grellbunten Märkte, wo er lachend Verkäufer abwehrt, die ihm ihren Tand andrehen wollen: "Dieser Dolch - nur 100 Dinar (etwa 52,- €). Aber: ich arm - du arm. Für dich nur 50 Dinar." Man feilscht und amüsiert sich über den mit Glas bestückten Brieföffner, den man schließlich für etwa 10,- € erwirbt (und anderswo für 3,- € wiederentdeckt) und genießt die Folklore des Basars.



Zur selben Zeit lässt der Herrscher Zine el-Abidine Ben Ali, Staatschef von 1987 bis 2011 (wie lange hatten wir noch den Honecker auf dem Hals?) politische Gegner gleich welcher Coleur (auch Islamisten) einsperren und foltern.



Seine 24jährige Tochter Nesrinen hielt sich seit Donnerstag mit ihrem Sohn im Pariser Disneyland auf, derweil Frankreich ihrem Vater die Zuflucht verweigert hatte. Dieser hat wohl gute Gründe, sich aus dem Staub zu machen. Die Opposition warf ihm schon lange Repression und Einschränkung von Bürgerrechten vor, Wahlen, die mit 99,91% der Stimmen gewonnen wurden, können nicht sauber abgelaufen sein, die Islamisten, deren Einfluss vorrangig zurückgedrängt werden sollte, reagierten mit Terror wie dem Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge im Jahr 2002. In der Umgebung des Präsidenten herrschten Korruption und Kleptokratie, einer staatstreuen Polizei steht das Militär gegenüber, was für die nächsten Tage und Wochen eine hochexplosive Mischung erwarten lässt. Obgleich das Land, seit 2008 mit der EU wirtschaftlich assoziiert, zu den wohlhabenderen unter den Maghreb-Staaten gehört, war es die wirtschaftliche Not eines Kleinunternehmers, die das Pulverfass entzündete: Mitte Dezember 2010 hatte sich der 26jährige Mohamed Bouazizi, ein ehemaliger Informatikstudent,  vor dem Gouvernatsgebäude der Provinzhauptstadt Sidi Bouzid  selbst entzündet, um gegen die polizeiliche Beschlagnahme seines Obst-und Gemüsestandes zu protestieren, mit dem er sich mehr schlecht als recht durchgeschlagen hatte. Der Tod des jungen Mannes, Sinnbild für die Verzweiflung einer verlorenen Generation, die mit Abstand die Mehrheit der Bevölkerung stellt, war Auslöser der gegenwärtigen Unruhen.


Und was fragen sich die Europäer und Amerikaner abseits der Sonntagsreden ihrer Politiker? Wird das Land abdriften wie seit einigen Jahren Algerien? Und vor allem: Was wird aus den schönen Aldiana-und Magic-Life-Clubs auf Djerba und Monastir?

Konzert Kaufbeuren 21.07.17

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