Sonntag, 9. Januar 2011

Gesine Lötzsch und der Kommunismus

Gesine, so hat sich das Karl Marx nicht vorgestellt. Ich unterstelle mal, dass er sich schon manches Mal im Grab umgedreht hat, zuletzt nach Ihrem Artikel in der "Jungen Welt".


Der Vater von Karl Marx. Heinrich Marx. entstammte einer Rabbinerfamilie und konvertierte später zum Protestantismus. Karl Marx, der zunächst ab 1835 Jura in Bonn studiert hatte, wechselte an der Humboldt-Uni (damals noch Friedrich-Wilhelms-Universität ) Berlin zu Geschichte und Philosophie. Wußten Sie das, Gesine? Dass Marx im gleichen Hörsaal wie Sie die Bank gedrückt hat? -  Hier machte er Bekanntschaft mit Linkshegelianern und der Dialektik, in Jena promovierte er 1841, scheiterte jedoch aus politischen Gründen an einer akademischen Laufbahn. Ab 1842 wurde er Leiter der oppositionellen Rheinischen Zeitung, wehrte sich vehement gegen die Zensur durch die preußische Obrigkeit und musste schließlich 1843 zurücktreten. 


Was glauben Sie, Gesine, hätte Marx zur gleichgeschalteten Presse der Sowjetunion ab 1918 und des gesamten Ostblocks ab 1946 gesagt?


Seit seiner Mitarbeit an den Französischen Jahrbüchern, ab 1843 in Paris, begann sich Marx mit politischer Ökonomie und dem Gedanken des Kommunismus auseinanderzusetzen. Er vertrat, im Gegensatz zu den französischen Sozialisten, einen atheistischen Standpunkt, der möglicherweise aus seiner Herkunft mit ihren religiösen Brüchen erklärbar ist (später: "Religion ist Opium für das Volk"). Man fragt sich ernsthaft, Gesine, wie Marx auf die bis heute andauernde religiös anmutende Verklärung des Kommunismus reagiert hätte. Vielleicht hätte er Ihnen geraten, sich dann doch lieber einer gewachsenen Religion mit humanistischem Menschenbild zuzuwenden.


Über die Kritik am Philosophen Feuerbach und in publizistischer Zusammenarbeit mit Friedrich Engels entstand ein Geschichtsmodell, das nicht den Geist, sondern die menschliche Praxis und die daraus resultierenden sozialen Beziehungen als Triebkraft der Geschichte verstehen. Und das unterschreiben wir bis heute. Es ist das, was wir in der DDR als "Historischen Materialismus" gelehrt bekamen, und, nun ja : WAR JA NICHT ALLES FALSCH ! Stimmts, Gesine? Wollten Sie das sagen?
Die Dialektik kam hinzu, auch sie ein bis heute anerkanntes Denkmodell, in der Naturwissenschaft alltäglich praktiziert, und, nicht zu vergessen: Die Lebensumstände des Proletariats im 19. Jahrhundert waren elendiglich, und die von Karl Marx ganz privat (seit 1849 staatenlos) waren es auch. Da kommt man schnell auf revolutionäre Ideen. Das hat noch lange nichts damit zu tun, das man Abweichlern aus der eigenen Partei einen Genickschuss verpaßt.


Karl Marx schlug sich im englischen Exil als Journalist durch und überlebte samt Familie zu einem Großteil durch die Unterstützung des Unternehmers und Gleichgesinnten Friedrich Engels. Das wissen wir längst, und es hat etwas Schmäckle, aber das ist Quatsch. Das wissenschaftliche Werk von Karl Marx ist gigantisch, er hatte einfach keine Zeit zum Geld verdienen. Und er war zeitlebens unangepaßt und oppositionell. Wer Näheres wissen möchte, vor allem unsere nicht so profund vorgebildeten westdeutschen Landsleute (bzw die gesamte deutschsprachige Welt exklusive der DDR-Jahrgänge bis etwa 1972), möge sich auf wiki und anderswo informieren. http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx Ich möchte nicht den Philo-oder Geschichtsprofessor spielen, sondern ich wollte der Gesine Lötzsch etwas sagen.


Da Sie, liebe Landsfrau, in der DDR geboren und aufgewachsen sind, kennen Sie die ganze Diskussion gründlich genug. Sicher kennen Sie seit etwa 1998 auch das Schwarzbuch des Kommunismus und die darin aufgelisteten Verbrechen. http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Schwarzbuch_des_Kommunismus Und wenn Sie nicht auf der berühmten Wurstbrühe daher geschwommen kamen, was man bei Ihrer Position im Ernst nicht vermuten kann, dann haben Sie schon auf der EOS gemerkt was in der DDR los ist. Wie können Sie dann in einem Wurstblatt wie der Jungen Welt solchen Käse von sich geben! 
Erstaunlich ist, dass Sie aufgrund engster Beteiligung Ihres Umfeldes gute Gründe hätten, sich vom Kommunismus endgültig und unwiderruflich abzuwenden. Wenn man einen allerprivatesten Ratschlag geben darf: Reden Sie mal ganz intim mit jemandem aus der Schröder-Lucht-Gruppe. Jemand, der noch weiß wie das war, damals in den späten Fünfzigern. Nein, nicht nur das mit Bautzen. Sondern das mit dem Genickschuss. Fand auch in der DDR statt. Der weiß, wie man sich hernach verbiegt. 


Das hatten wir Jahrgänge ab 1960 nicht mehr nötig, Gott sei Dank. Und das wussten wir auch schon auf der Penne. Und es ist ein Unterschied, ob man zur Maueröffnung 58, 28 oder 18 Jahre alt war. Und es gibt wirklich die "Gnade der späten Geburt", da haben wir spät in die DDR geborenen echtes Glück im Unglück gehabt. Und da müssen wir heute nicht über "Wege zum Kommunismus" schwafeln. Das ist nicht nur dumm oder eine Schande oder lächerlich oder politisch instinktlos. Es erzeugt auch Abwehr und sogar Wut. Der Eine, Cellist, bloggt hier friedlich vor sich hin. Aber was glauben Sie, was andere über und gegen Sie denken und empfinden?


Mit Gruß Andreas Thiemig. Googlen Sie mich.

http://konzert-klassik-am-freitag.blogspot.de/


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